Verantwortung
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 1641-1643

1. Die christl. Sittlichkeit hat personalen u. responsorischen Charakter: Die menschl. Person antwortet dem persönl. Gott. Gott erwartet auf seinen Anruf vom Menschen die Antwort des Glaubens. "Ohne Glauben aber ist es unmögl., (Gott) wohlzugefallen. Denn wer zu Gott kommt, muß glauben, daß er ist u. daß er denen, die ihn suchen, zum Vergelter wird" (Hebr 11,6).

Von V. kann man nur sprechen, wenn jemand Rede u. Antwort steht, wenn also die Person der Person gegenübertritt. Zur V. kann nur ein personales Wesen gerufen werden, ein Wesen, das selbständig über sein Leben gestaltend verfügen kann. Die Fähigkeit der Selbstbestimmung setzt das Wissen um das eigene Sein voraus. Ein Wesen, das auf solchen geistigen Selbstbesitz hin angelegt ist, nennt man Person.

Die Würde des Menschen besteht darin, daß er diese Möglichkeit hat. Mit seinem Reifen öffnet sich ihm der Bereich des sittl. Lebens, d.h. der Bereich der bewußten freien Entscheidung, durch die seine Persönlichkeit gebildet wird; je mehr er in eigener Entscheidung sein Leben formt, umso ausgeprägter wird seine Persönlichkeit. Der existentialistischen Ethik ist als Verdienst anzurechnen, daß sie diese Erkenntnis wieder in den Vordergrund gerückt hat.

Nicht wenige Menschen betrachten diese Aufgabe nicht als Auszeichnung, sondern als Bürde, auf die sie gern verzichten würden. Am liebsten wären sie Wesen ohne Fähigkeit der freien Entscheidung, um keine V. tragen zu müssen. Damit würden sie aber etwas Wesentliches ihres Menschseins aufgeben. Andere möchten wenigstens in schwierigen Situationen der Notwendigkeit des Entscheidens entrinnen. Abgesehen von den Fällen der wirkl. Unmöglichkeit u. des zeitweiligen Aussetzens zur notwendigen Erholung tut der Mensch unrecht, wenn er nicht zu seiner eigenen Aufgabe steht u. andere dadurch ungebührl. belastet. Im Menschsein liegt es beschlossen, daß der Mensch sein Maß an Entscheidung auf sich nehmen, es sich anrechnen lassen u. dafür V. tragen muß. Den sittl. Akten ist es eigen, daß der Mensch für sie einstehen muß, daß sie ihm angerechnet werden können.


2. Verantwortl. kann ein Mensch nur für ein Verhalten sein, das sein eigen ist, weil es seiner Entscheidung entspringt (eigentl. Menschl. Akt). Ein solches Verhalten muß ihm angerechnet werden, d.h. ihm als seinem Urheber u. Herrn zugeschrieben werden (von ihm selbst; von anderen Menschen, soweit sie Einblick haben; vollkommen zutreffend nur von Gott: "Gott, der die Herzen kennt", Apg 15,8; vgl. 1,24; Jer 17,10; Offb 2,23; "Doch was mich angeht, so ist es mir völlig gleichgültig, von euch od. von einem anderen menschl. Gerichtstage verurteilt zu werden; ja ich verurteile mich nicht einmal selbst. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewußt, aber damit bin ich noch nicht gerechtfertigt. Es ist vielmehr der Herr der über mich das Urteil fällt. Desh. urteilt nicht vorzeitig über etwas, bis der Herr kommt; er wird auch das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen u. die Absichten der Herzen offenbar machen", 1 Kor 4,3-5).

Zur V. gezogen kann ein Mensch nur werden, soweit er zurechnungsfähig (der Setzung menschlicher Akte fähig) ist (vgl. Thomas v. A., S. Th. 1,2 q.21 a.2).



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