Familie
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1969, Sp. 357-369


1. Die F., die Gemeinschaft v. Eltern u. Kindern, entsteht normalerweise durch das Fruchtbarwerden der Ehe u. ist wie diese in der gottgeschaffenen menschl. Natur (Differenzierung u. Zuordnung der Geschlechter, Fruchtbarkeitsauftrag) begründet (Gen 1,28; 2,18.22-24).

Sinnziel der F. ist es, ihren Mitgliedern, vor allem den Kindern, zur Erreichung ihrer Grundbestimmung, näml. zur Entfaltung ihres Menschseins, zu verhelfen. Diese Aufgabe bleibt der F. unwandelbar, so verschieden ihre konkrete Gestalt im Wechsel der Zeiten u. Verhältnisse auch aussehen mag. Durch Erfüllung dieser Aufgabe wird sie zur Lebensquelle jeglicher anderen menschl. Gemeinschaft, wenn sie auch nicht in dem Sinn Keimzelle der Gesellschaft ist, als ob diese nichts anderes als die entfaltete F. wäre u. familiäre Züge trüge (vgl. Pius XII., UG 668 1147 f 1253 1257 1364 f 1775 2681 3318 4500 4736 4774 6015 [DRM XV 526 f, II 156, XIII 241 f, VII 235 f, XV 10 f, XI 211 f, -, XVIII 487, -, XVII 195 f; AAS 1953, 453; DRM XVIII 704]; Johannes XXIII., PT, AAS 1963, 261; 2. Vat. Konz., Gaud. et sp. 52; Apostolicam actuositatem 11). Der F. ist ihre Aufgabe v. der Natur (vom Schöpfer), nicht nur v. einer größeren menschl. Gemeinschaft gesetzt, u. sie ist zur Erfüllung dieser Aufgabe verpflichtet u. berechtigt zugleich. Der Staat etwa hat der F. Hilfe zu bieten, soweit sie ihrer bedarf, darf sie aber nicht um ihr Eigenleben bringen (Subsidiaritätsprinzip; vgl. Pius XII., UG 48 50 691 1257 1610 2681 3616 4120 4736 4746 4751 4757-59 [DRM III 414 f, V 88, XIII 242, VIII 218, XI 211 f, VIII 238 105, -, -, XVIII 519 f, -]; Johannes XXIII., PT 17, AAS 1963, 261; 2. Vat. Konz., Gaudium et spes 52; Dignitatis humanae 5). Dieser dem Staat aufgegebenen Achtung der F. wird weder eine individualistische Auffassung gerecht, die den Staat nur aus einzelnen Personen ohne naturhafte F.n-Zusammenfassung bestehen sieht, noch eine kollektivistische, der die Großgesellschaft alles, der einzelne u. die kleineren Gemeinschaften aber nichts bedeuten. Eine erfreul. Auffassung spricht aus den internationalen Dokumenten, die die F. schützen (Allg. Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen vom 10.12.1948, Art. 12.16; Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte u. Grundfreiheiten vom 4.11.1950, Art. 8).


2. Jede Gemeinschaft braucht eine Autorität, die die Interessen der Mitglieder auf die besten Voraussetzungen für das Gedeihen aller (Gemeinwohl) hin ausgleicht. In der F. liegt diese Autorität naturgemäß bei den Eltern, die schon durch ihr größeres Wissen u. Können vor den Kindern dazu befähigt werden. Zwischen Mann u. Frau mögen sich die Schwerpunkte meistens so verteilen, daß er das Haupt u. sie das Herz der F. genannt werden kann (D 3709 [2233]). Der Mann ist ja für gewöhnl. besser imstande, die Interessen der F. nach außen hin zu vertreten u. ihr die materielle Lebensgrundlage zu verschaffen, weshalb sich die Frau gern seiner Leitung unterstellt; die Frau aber zeigt ihr Können vornehml. in der inneren Gestaltung der F. als Lebens- u. Liebesgemeinschaft. In der Kindererziehung z.B. kommen dem Mann (im Einvernehmen mit der Frau) eher die großen Entscheidungen zu, der Frau aber die Ausführung. Wenn v. einer in der Natur der Sache liegenden Unterordnung der Frau unter den Mann, durch die nach Paulus die Unterordnung der Kirche unter Christus abgebildet wird (1 Kor 11,3; Eph 5,22-24), die Rede ist, soll damit keineswegs die Ebenbürtigkeit v. Mann u. Frau, die schon aus dem Schöpfungsbericht erkannt werden kann (Gen 2,18.23), angezweifelt werden; die Frau ist nicht Magd od. Unmündige, sondern Gefährtin (D 3708 f [2233]; vgl. Pius XII., UG 1155-71 1183-93 1194-1203 1204-16 1292-1302 [DRM III 191-197, IV 29-34 37-41 3-8, III 385-390]; Johannes XXIII., PT 15, AAS 1963,261). Die Schwerpunkte können sich freilich je nach den gesellschaftl. Verhältnissen u. den Gegebenheiten der einzelnen F.n verschieden verteilen (D 3709 [2233]). Hinsichtl. des Verfügungsrechts über das F.nvermögen etwa sind sehr verschiedene Lösungen denkbar u. zulässig. Im Abendland entwickelte sich in den letzten Jh.n die F. v. der deutl. Vorherrschaft des Mannes (patriarchalische F.) zur Gleichberechtigung beider Gatten. Bes. bei Versagen od. Nichtkönnen des Mannes ist es notwendig u. damit auch durchaus berechtigt, daß die Frau die Leitung der F. übernimmt (vgl. Pius XII., UG 4800 [DRM XVIII 576 f]). Das Hinaustreten der verheirateten Frau aus der F. zu deren Schaden kann allerdings nicht gutgeheißen werden.


3. Die Ehe soll im Kind fruchtbar u. so zur F. werden. Wie jedes menschl. Geschehen soll auch dieses v. der Liebe geprägt sein, v. der verantwortungsbewußten Liebe der Gatten zueinander u. zur etwaigen Nachkommenschaft. Die Verantwortung für das Kind verlangt aber, daß es nicht bloß gezeugt, sondern durch entsprechende Pflege auch zur Entfaltung seines Menschseins gebracht wird; nur damit erweist die F. der Gesellschaft einen wirkl. Dienst (2. Vat. Konz., Gaudium et spes 50 f). Daraus, daß die Eltern dem Kind das Leben geben, entsteht für sie eine besondere Pflicht sorgender Liebe, eben der Elternliebe (lat. pietas; vgl. Thomas v. A., S.Th. 2,2 q.101 a.1).

Aus dem Ursprungsverhältnis heraus haben die Eltern (u. in ihrer Ermangelung die Großeltern) die erste Pflicht u. das erste Recht, für das Kind Sorge zu tragen. Solange sie dieser Aufgabe gerecht werden, darf nach dem Subsidiaritätsprinzip der Staat sie ihnen nicht streitig machen. Wenn der Staat die Erziehung allg. für sich in Anspruch nimmt, schränkt er die Freiheit seiner Bürger unnötig u. damit ungerecht ein. Dem Staat kommen Recht u. Pflicht der Erziehung nur zu, soweit die F. dieser Aufgabe nicht gewachsen ist od. sie tatsächl. nicht erfüllt; an Stelle der fehlenden Eltern betraut er meistens einen Vormund mit der Erziehung (vgl. D 2891 3685 3690 [1693 2203 2207]; Pius XII., UG 51 253 1484 1610 1625 1744 4974 5040 [DRM III 415 f, IV 340 f, V 45 f, VIII 218, XIII 207, XIV 19, XVIII 117, XIX 590]; Johannes XXIII., PT 17, AAS 1963,261; 2. Vat. Konz., Gaudium et spes 50 52; Gravissimum educationis 3; Dignitatis humanae 5).

Die Elternliebe ist nur dann wahr, wenn sie sich nicht (affektiv) in liebendem Wohlwollen erschöpft, sondern (effektiv) zu dem für Erhaltung u. Entfaltung des Kindes notwendigen u. förderl. Tun fortschreitet (vgl. Pius XII., UG 1496-1508 [DRM III 227-235]). Aus der Bedeutung der guten Erziehung für das Schicksal des jungen Menschen ergibt sich v. selbst, daß die Eltern zur Erfüllung dieser Aufgabe schwer verpflichtet sind (CICc. 1113); sie versagen durch innere Abneigung u. durch Unterlassen der für das Wohl des Kindes notwendigen Maßnahmen. Auf die körperl. Erhaltung u. Entfaltung des Kindes müssen Eltern v. seiner Empfängnis bis zu dem Zeitpunkt, an dem es selbst genügend für sich sorgen kann, bedacht sein. Schon vor seiner Geburt haben sie alles zu vermeiden, was es gefährden od. schädigen könnte, auf längere Sicht schon alles, was etwaige Nachkommenschaft erbl. beeinträchtigen könnte (Alkoholismus, geschlechtl. Zügellosigkeit). Für die Ernährung des Säuglings ist es am besten, wenn die Mutter ihn selbst stillt; in Situationen jedoch, in denen sie dazu nur unter großen Schwierigkeiten od. überhaupt nicht fähig ist, wird diese Pflicht für sie nicht drängend. Um Ernährung, Kleidung, Wohnung u. Körperpflege des Kindes müssen sich Eltern solange kümmern, bis es selbst für sich entsprechend sorgen kann; in tragischen Fällen können sie mit dieser Pflicht ihr Leben lang beladen sein.

Im Hinblick auf das zeitl. Fortkommen des Kindes müssen Eltern für seine materielle Existenzgrundlage (2 Kor 12,14) u. für seine Berufsausbildung vorsorgen.

Die größte Verantwortung tragen sie für seine relig. u. sittl. Ausbildung, geht es hier doch um die wesentl. Bestimmung des Menschen. So haben sie selbst od. durch andere ihr Kind in den grundlegenden Wahrheiten u. Übungen des christl. Lebens zu unterweisen; eine wichtige Rolle spielt in der Erziehung das gute Beispiel der Eltern, wie umgekehrt das schlechte Beispiel verheerend wirken kann (vgl. 2. Vat. Konz., Gaudium et spes 48 52; Apostolicam actuositatem 11). In kluger Weise müssen sie darauf bedacht sein, die Fehler ihrer Kinder ernstl. zu bessern. Wenn die Unreife des Kindes es verlangt, dürfen sie auch vor Strafmaßnahmen nicht zurückschrecken (Spr 13,2; 23,13 f; Sir 30,1 f), müssen sich dabei freil. auch vor unnötiger Härte hüten (Kol 3,21; Eph 6,4). Sünde wären sowohl schwächl. Nachsicht wie auch grund- u. maßlose Strafe. Nach Möglichkeit müssen Eltern auch ihre Kinder überwachen, d.h. alles ausschalten, was ihnen seelisch schaden kann (schlechte Gesellschaft, schlechte Lektüre, Gefahren in Schulen, an Arbeits- u. Vergnügungsstätten usw.). Fahrlässige Eltern werden auch schuldig, wenn ihre Kinder andere verderben.

Die genannten Pflichten liegen auch auf Eltern außerehelicher Kinder, d.h. solcher, die nicht in gültiger od. v. einem der Partner dafür gehaltener Ehe empfangen od. geboren (CICc. 1114) u. auch nicht durch nachfolgende Schließung od. Konvalidierung der Ehe der Eltern legitimiert (CICc. 1116) wurden. Außerehel. Kinder werden v. der Kirche u. v. den meisten Staaten rechtl. nicht den ehel. Kindern gleichgestellt, wenn sie auch an der bürgerl. Achtung u. dem Fortkommen nicht geschädigt werden sollen. Was immer das staatl. Gesetz bestimmen mag, v. Natur aus haben ihre Eltern ihnen gegenüber dieselben Pflichten wie gegenüber ehel. Kindern. Sie müssen sich bemühen, nach Möglichkeit selbst den Kindern alles zu ihrem Gedeihen Notwendige zu bieten. Nur im Notfall dürfen sie die Kinder anderen zur Betreuung übergeben.


4. Die rechte Antwort auf die sorgende Elternliebe ist die dankende Kindesliebe (Pietät). Sie wurzelt in der Tatsache, daß das Kind v. seinen Eltern das Leben hat u. daß diese an ihm eine besondere Aufgabe liebender Sorge zu erfüllen haben. Ähnl. wie zur Elternliebe gehört zur Kindesliebe wesentl. das innere Wohlwollen, das sich im Benehmen u. im tatkräftigen Einsatz bewähren muß, bes. in der Not der Eltern. "Mein Sohn, nimm dich deines Vaters im Alter an u. betrübe ihn nicht alle Tage deines Lebens" (Sir 3,12; vgl. 3,13-15). Die Verletzung der Liebe zu den Eltern in der inneren Gesinnung u. im äußeren Verhalten, bes. durch Vernachlässigung der tatkräftigen Hilfe an sie, wird durch die Offenbarung deutl. verurteilt. "Ein Frevler ist, wer seinen Vater mißachtet, u. vom Herrn verflucht, wer seine Mutter erzürnt" (Sir 3,16). "Wer seinen Vater od. seine Mutter schändl. behandelt, soll mit dem Tod bestraft werden" (Ex 21,17). Jesus betont, daß die natürl. u. v. Gott gebotene Pflicht der tätigen Kindesliebe frei geschaffenen Verpflichtungen vorausgeht (Mt 15,3-6). Die Kirche erlaubt daher nicht den Ordenseintritt eines Kindes, das die Eltern zur Behebung od. Verhütung schwerer Not brauchen (CICc. 542 n.2).

Das Verhältnis des Kindes zu den Eltern wird dadurch geprägt, daß es v. ihnen das Leben hat u. sie liebend für das Kind zu sorgen haben, ja daß sie ihm auf lange Sicht an Wissen u. Können voraus sind u. gerade dadurch ihre Aufgabe am Kind erfüllen können. In dieser ihrer Vorrangstellung hat das Kind sie innerl. ehrfürchtig anzuerkennen u. im äußeren Verhalten zu achten. "Ehre deinen Vater u. deine Mutter" (Ex 20,12; Dtn 5,16; vgl. Tob 4,3; Sir 3,3 f.13; 2. Vat. Konz., Gaudium et spes 48). Gegen die pflichtgemäße Ehrfurcht sündigt, wer den Eltern innerl. od. äußerl. die Ehrfurcht versagt, sie herabsetzt, schlecht behandelt usw. "Suche deinen Ruhm nicht in der Schmähung deines Vaters, denn seines Vaters Schande bringt kein Ansehen für dich" (Sir 3,10). "Wer seinen Vater od. seine Mutter schlägt, soll mit dem Tod bestraft werden" (Ex 21,15). Etwas vom Vorrang der Eltern bleibt immer zurück; zumindest läßt sich die Tatsache, daß das Kind v. ihnen stammt, nicht ungeschehen machen. So erlischt auch die Pflicht der Ehrfurcht des Kindes vor ihnen nie.

Wohl aber hört die Pflicht des kirchl. Gehorsams auf, in dem diese Achtung ihre Teilverwirklichung findet. In seinen ersten Jahren ist das Kind auf die Fürsorge anderer, zunächst der Eltern, vollkommen angewiesen. So können u. müssen diese auch eine Verfügungsgewalt über das Kind beanspruchen, u. das Kind ist v. Natur aus u. durch göttl. Weisung verpflichtet, sich ihrer verantwortungsbeladenen Leitung unterzuordnen. Jesus "kam nach Nazareth u. war ihnen untertan" (Lk 2,51) u. anerkannte damit die Gültigkeit dieser Ordnung. Der Apostel mahnt daher: "Ihr Kinder gehorcht euren Eltern im Herrn; denn so gehört es sich, 'Ehre deinen Vater u. deine Mutter', das ist das erste Gebot mit einer Verheißung: 'auf daß es dir wohl ergehe u. du lange lebest auf Erden'" (Eph 6,1-3; vgl. Kol 3,20). Die Gehorsamspflicht des Kindes besteht freil. nur unter der Voraussetzung, daß die Eltern mit ihrer Leitungsgewalt verantwortungsbewußt umgehen, daß sie also nur Ehrbares u. Sinnvolles u. im Bereich ihrer Zuständigkeit Liegendes befehlen, u. daß sie es ernst meinen. Unsinnig u. daher nicht verpflichtend wäre z.B. die Forderung v. Unmöglichem od. allzu Schwierigem. Ebenso mißbrauchen Eltern ihre Gewalt, wenn sie Dinge befehlen, die zu göttl. Weisungen im Widerspruch stehen; sie verfehlen sich dann an der Person des Kindes, die ihnen dazu anvertraut ist, daß sie ihr zum Werden auf die gottgewollte Bestimmung hin helfen. Für einen solchen Fall gilt: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29). Ferner haben die Eltern ihre Befehlsgewalt nur zum Helfen; sie dürfen sie nicht dazu gebrauchen, dem Kind jene Lebensentscheidungen zu verbauen, die es schließl. selbst zu treffen berechtigt u. verpflichtet ist, weil es um sein eigenes Schicksal geht. Berufs- u. Standeswahl (bes. der Ehe, des Priester-, des Ordensstandes) fallen nicht in die Zuständigkeit der Eltern, sondern in die der heranreifenden u. reifgewordenen Kinder selbst. Wohl sollen Kinder auch in solchen Dingen den Rat der Eltern einholen u. achten, müssen aber doch die Entscheidung selbst treffen, im Notfall auch gegen den Willen der Eltern (vgl. Pius XII., UG 252 515 2245-48 [DRM IV 339 f, III 115, VI 194 f]; Johannes XXIII., PT 15, AAS 1963,261; 2. Vat. Konz., Gaudium et spes 52; Apostolicam actuositatem 11). Die Notwendigkeit der elterl. Leitung für das Kind hört mit der Zeit auf, u. damit dessen Gehorsamspflicht. Unter Umständen kann es sogar so sein, daß die Familienautorität auf den in voller Lebenskraft stehenden Sohn übergeht u. daß die alten u. hilfsbedürftigen Eltern sich sinnvollerweise v. ihm leiten lassen. Jede gute Erziehung zielt darauf hin, das Kind für die Selbständigkeit zu rüsten u. selbständig werden zu lassen. Der Übergang v. der vollkommenen Unterordnung zur Selbständigkeit geschieht in einem langsamen Werden u. Reifen. Wenn das kirchl. (CICc. 88 §1) u. das bürgerl. Gesetz für das Freiwerden v. der elterl. Bindung das Erreichen der Großjährigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres angeben, ist damit noch nicht die Frage für den einzelnen Fall gelöst. Auch das großjährige Kind, das im Elternhaus verbleibt, ist der Natur der Sache nach weiter an eine gewisse häusl. Ordnung gebunden. Umgekehrt kann es aus triftigen Gründen richtig sein, daß schon das minderjährige Kind ganz od. teilweise aus der elterl. Gewalt entlassen wird. Die Nichtbefolgung berechtigter Befehle wiegt am schwersten, wenn sie aus dem Nichtanerkennenwollen des rechtmäßig Gebietenden entspringt (formaler Ungehorsam). Solcher Ungehorsam rüttelt ja an den Grundfesten der menschl. Ordnung. Paulus zählt die Ungehorsamen gegenüber den Eltern zu denen, die v. verworfener Gesinnung erfüllt sind (Röm 1,30), u. ihren Ungehorsam zu den schweren Übeln der letzten Tage (2 Tim 3,2). Bei bloß tatsächl. Nichtbefolgung v. rechtmäßigen Befehlen ohne Stellungnahme gegen die Autorität des Befehlenden (materialer Ungehorsam) kommt es für die Schwere auf die Bedeutung der Sache u. die Ernsthaftigkeit des Befehls an.

Solange Eltern an außerehel. Kindern ihre Pflicht erfüllen, schulden diese ihnen Liebe, Achtung u. Gehorsam. Je besser die Eltern ihre Aufgabe erfüllen, umso eher werden die Kinder ihnen gegenüber diese guten Haltungen verwirklichen können. Dies wird ihnen umso schwerer fallen, je weniger sich die Eltern um sie kümmern. Wenn die Eltern gänzl. versagen, haben die Kinder den Gehorsam jenen zu leisten, die sie betreuen.


5. Wenn auch heute die frühere Groß-F. meistens der Klein-F., in der nur Eltern u. Kinder zus.leben, gewichen ist, kommt es doch vor, daß andere Verwandte (Großeltern, erwachsene Geschwister usw.) an der häusl. Gemeinschaft Anteil haben. Auch in dieser erweiterten F.ngemeinschaft ist eine gewisse Leitung notwendig, die sinnvollerweise dem zusteht, der sie am besten leisten kann. Von Natur aus sind Verwandte, auch wenn sie nicht in Hausgemeinschaften leben, miteinander näher verbunden, als andere Personen. In dieser Verbundenheit liegt eine Aufforderung, gerade im Kreis der Verwandtschaft den sittl. Grundauftrag der Liebe (die ja immer gemäß den konkreten Gegebenheiten zu verwirklichen ist) bes. eifrig zu erfüllen (Verwandtenliebe, Pietät im weiteren Sinn); die Dringlichkeit der Verpflichtung hängt u.a. vom Verwandtschaftsgrad ab (vgl. Pius XII., UG 1217-26 [DRM II 179-183]).


6. Auch fremde Personen können in die Hausgemeinschaft eintreten. Wenn die F. z.B. jemanden zum Dienst aufnimmt, entsteht daraus ein Treueverhältnis. Solche Personen sind nicht nur mit genau umschriebenen Einzelaufgaben, sondern mit der umfassenden Mitsorge für das Wohl der F. betraut, u. die F. entlohnt sie nicht nur in Geld, sondern trägt Verantwortung für ihr leibl. u. geistiges Wohl. Die Mahnung des Hl. Paulus an die Herren seiner Zeit, ihren Sklaven zu gewähren, was recht u. billig ist (Kol 4,1), gilt nicht weniger den heutigen häusl. Dienstgebern gegenüber ihren Dienstleuten (vgl. Pius XII., UG 253 1523-41 1564-83 4910-19 4920-26 [DRM IV 340 f, IV 151-156 177-184, XVIII 263-267, XIX 727-731]).

Die Grundlage ihres gegenseitigen Verhältnisses ist der Dienstvertrag. Die Dienstgeber sind verpflichtet, in ihm einen gerechten Lohn zu vereinbaren u. diesen auch tatsächl. auszuzahlen. Die ungerechte Vorenthaltung des verdienten Arbeitslohnes wird v. der Hl. Schrift als himmelschreiende Sünde gebrandmarkt (Dtn 24,14 f; Jak 5,4). Die in die F.ngemeinschaft aufgenommenen Dienstnehmer müssen die Dienstgeber in gewissem Grad als F.nmitglieder behandeln, also mit ihnen in Redeweise, Verköstigung, Arbeitseinsatz, Pflege in der Krankheit usw. gut verfahren. Die Mahnung des Apostels über die Behandlung der Sklaven (Eph 6,9) gilt grundsätzl. auch für die Behandlung heutiger Dienstleute. Endl. gehört zu den Pflichten der Dienstgeber eine gewisse sittl. Führung ihrer im Haus lebenden Dienstnehmer. "Wenn aber jemand für die Seinen u. im besonderen für die Hausgenossen nicht Sorge trägt, der hat den Glauben verleugnet u. ist schlimmer als die Ungläubigen" (1 Tim 5,8).

Die Dienstnehmer ihrerseits sind verpflichtet, treu zu ihren Dienstgebern zu stehen, in deren Hausgemeinschaft sie aufgenommen wurden, ihre Leitungsbefugnis zu achten (vgl. 1 Tim 6,1), ihnen im häusl. Leben zu gehorchen u. bes. die vereinbarten Dienste zu leisten (vgl. Eph 6,5-8; Kol 3,22-24; 1 Petr 2,18). Je inniger der Anteil am Leben der F. ist, der ihnen gewährt wurde, um so eifriger müssen sie auch zu deren Wohl beitragen.


7. Da heutzutage die meisten Eltern nicht imstande sind, die Erziehung ihrer Kinder, bes. deren Berufsausbildung, in vollem Umfang selbst durchzuführen, sind sie genötigt, Teilaufgaben an Erzieher und Lehrer (Lehrmeister usw.) abzutreten. Deren Befugnis wurzelt in jener der Eltern. Ihre Zöglinge (Schüler) schulden ihnen ähnl. wie den Eltern Achtung u. Dankbarkeit u. (im Bereich ihrer Zuständigkeit) Gehorsam. Auf den Erziehern (Lehrern) liegt die Pflicht der Unterweisung u. Erziehung; durch Übernahme ihrer Aufgabe haben sie sich ja dazu verpflichtet. So haben sie sich nicht nur auf den Unterricht (auch durch die nötige Fortbildung) gewissenhaft vorzubereiten u. ihn nach bestem Können sinnvoll zu erteilen, sondern auch die ihnen Anvertrauten sittl. zu führen, vor allem durch das eigene gute Beispiel. Im Strafen müssen sie besonnen u. gerecht vorgehen.


8. Auch manche Gemeinschaften, die vom Menschen frei geschaffen wurden, also nur entfernt in der sozialen Natur des Menschen wurzeln, können familienähnliche Züge annehmen. Wer sich zum Eintritt in sie frei entschließt, übernimmt damit die Pflicht der Unterordnung unter ihre Führung. Zwischen den Leitern solcher Gemeinschaften und ihren Mitgliedern bestehen Pflichten der Sorge u. des Gehorsams. In erhöhtem Maß gilt das v. den relig. (Ordens-) Gemeinschaften, in die Menschen eintreten, um neben den andern ev. Räten den des Gehorsams zu befolgen. Der Rahmen solcher Sorge- u. Gehorsamspflicht wird durch das Ziel der betreffenden Gemeinschaft gezogen.


Zurück zum Index